All things shining


Geht um die Filmografie von Terrence Malick, so gibt es eine Zeit vor und eine Zeit nach The Thin Red Line. Waren zwar auch Badlands und Days of Heaven von Bildern dominiert und mit Voice-overn versehen, so stellt Malicks Regie-Rückkehr nach 20 Jahren Abwesenheit den Prototyp seines gegenwärtigen Schaffens dar. Eine sich beinahe verselbständigende Kamera, eine Flut inzwischen zum Klischee verkommener innerer Monologe. Was Malick in The New World, The Tree of Life und To the Wonder perfektionierte, findet in The Thin Red Line seinen Ursprung. Dabei basiert Malicks dritter Film zwar auf James Jones’ gleichnamigem Roman, doch dieser dient ihm bloß als Aufhänger für seine philosophischen Gedanken.

Malick greift Figuren und Handlungsstränge aus Jones’ Roman auf [1], im Fokus steht jedoch nicht ein bestimmter Charakter oder eine spezielle Handlung. Im weitesten Sinne nicht einmal die Schlacht um Guadalcanal oder der Zweite Weltkrieg. Vielmehr geht es Malick um den Krieg an sich, seine Beziehung zum Menschen und dessen Zugehörigkeit sowie Zwist mit der Natur. “It is a war film that, ultimately, is no longer about war”, resümiert Peebles, “it transcends the genre.” [2] Eine Entscheidung, die dem US-Regisseur durchaus vorgehalten wurde [3], die gleichermaßen aber auch Applaus fand. Nicht zuletzt als cineastisches Gegenstück zu Steven Spielbergs Saving Private Ryan, der im selben Jahr anlief.

Beide Filme waren 1999 für mehrere Oscars nominiert, aber nur Spielbergs Pathos sollte prämiert werden. Dies lag zum einen natürlich an der unterschiedlichen Herangehensweise ihrer Regisseure, aber auch an der ihres Filmstudios [4]. Für Saving Private Ryan betonte der Verleiher “Spielberg’s new role as artistic chronicler of the Second World War”, stellt Flanagan fest [5]. Ganz im Gegensatz zu 20th Century Fox, die “never chose to emphasise any potential that The Thin Red Line might have to contribute to or even change perceptions of World War Two” [6]. Wo Spielbergs Film helfen sollte, in Erinnerungen zu schwelgen, wollte Malick vielmehr inspirieren, über den (Kino-)Tellerrand hinaus zu blicken [7].


Wo Spielberg der Geschichte huldigt, angefangen mit seiner von der Rezeption gefeierten Normandie-Szene, inszeniert in The Thin Red Line Malick “a myth that rejects historical analyses” [8]. Für ihn geht es weniger darum, wie Spielberg ein Bild des Good War zu zeichnen [9], in dem sich die Alliierten gegen das personifizierte Böse der Achsenmächte auflehnten, bei ihm drängt sich vielmehr „der Un-Sinn des Kriegs in jeder Einstellung auf“ [10]. Malick erzählt im Gegensatz zu Spielberg „ohne verlogene Heroisierung“, wie Suchsland bemerkt, „aber auch ohne prinzipielle Verdammung“ [11]. Vielleicht spielte auch deshalb The Thin Red Line in den USA nur ein Siebtel der Summe von Saving Private Ryan ein [12], [13].

Für Malick ist die Schlacht um Guadalcanal, die im Zentrum seines Films steht, letztlich eine Episode von vielen in der Menschheitshistorie, der er sich bedient, um mit seiner „Geschichte über den Krieg im Pazifik (…) über das Wesen des Menschen“ zu philosophieren [14]. Am eindrücklichsten geschieht dies über zwei der vielen Soldaten-Figuren, namentlich Witt (James Caviezel) und den die meiste Zeit nur als Voice-over existierenden Train (John Dee Snuts), die Malicks Idee eines hylozoistischen Weltbildes auf die Tonspur transportieren. Diesem widmet sich der Regisseur gleich zu Beginn seines Films in einer rund zehnminütigen Szene, die von ihren transportierten Thesen an Ralph Waldo Emerson erinnert.

Es ist Witt, der eingangs mit einem Kameraden seiner Einheit AWOL geht, auf einer nahe gelegenen Insel dem scheinbaren Paradies der Einwohner beiwohnend. “Nature never wears a mean appearance”, schrieb Emerson einst [15]. In den Wäldern, den Plantagen Gottes, “we return to reason and faith. There I feel nothing can befall me in life – no disgrace, no calamity (…) all mean egoism vanishes”, resümiert Emerson [16]. Auch Witt findet hier das Paradies, sieht hier jenes herrliche Licht des Seins. “I seen another world”, bekräftigt er gegenüber seinem Vorgesetzten, Sergeant Welsh (Sean Penn). Schiebt angesichts des Kriegsalltags allerdings nach: “Sometimes I think it was just my imagination.”


“Then you’ve seen things I never will”, entgegnet ihm Welsh halb zynisch, halb bedauernd. Er agiert in The Thin Red Line als Gegenstück zu Witt, der Film wird durch drei Dialoge der beiden strukturiert. Mit seinem Zynismus schaut Welsh hinter die Fassade dieser Welt (“We’re living in a world that’s blowing itself to hell as fast as everybody can arrange it”), ist aber in seinem Kern dennoch Militär geblieben. “I guess we don’t see the bigger picture, do we?”, sinniert auch John Travoltas General Quintard anschließend im Gespräch mit seinem Untergebenen, Colonel Tall (Nick Nolte). Sie alle drei sind Männer, die die Plantage Gottes verlassen haben. “All I might have given for love’s sake”, klagt Tall. “Too late.”

Der Colonel wiederum ist womöglich die nächste Stufe einer Karriereleiter, die Welsh selbst noch erklimmen muss. Tall wirft sich mit Inbrunst in die Schlacht um Guadalcanal, in seinen ersten Krieg in 15 Jahren. Nur hier kann er sich profilieren, selbst weiter aufsteigen zum General, was ihm nach eigener Einschätzung schon längst gebührt. Entsprechend wird auch ihm im Verlauf mit Captain Staros (Elias Koteas) ein charakterliches Gegenstück serviert, mit dem er sich reiben darf. “Played a role I never conceived”, hadert Tall an einer Stelle mit sich und seinem Schicksal, um Staros gegenüber zu betonen “Nature’s cruel” und somit dem Emersonschen Bild (“Nature never wears a mean appearance”) zu widersprechen.

Insofern teilen sich auch die Soldaten in The Thin Red Line in das klassische malicksche Lager von Natur und Gnade auf, das der Texaner in The Tree of Life postulieren wird. Auf der einen Seite die Talls und Welshes oder die Dales, die (toten) Feinden die Goldzähne herausreißen, weil der ganze Krieg sowieso, wie Welsh es formuliert, sich nur um Eigentum dreht [17]. Ihnen gegenüber stehen Figuren wie Staros, Witt, Train und Bell (Ben Chaplin), die ihre Umwelt reflektierter wahrnehmen und versuchen, in all dem Wahnsinn einen Sinn zu erkennen. Die übrigen Charaktere verteilen sich dazwischen. “I killed a man”, kommentiert beispielsweise Doll (Dash Mihok) an einer Stelle. “Worst thing you could do.”


Im weitesten Sinne sind es Figuren ohne Persönlichkeit, austauschbar. „Die Soldaten sind kaum voneinander unterscheidbar“, bemerkt Kronenmeyer, „sie verschmelzen zu einer großen Masse“ [18]. Ähnlich gerät im Film einer von Witts Gedankensträngen: “Maybe all men got one big soul… who everybody’s a part of. All faces of the same man. One big self.” Auffällig ist dabei auch, dass im Gegensatz zu Saving Private Ryan die Soldaten hier nicht „Miller“ heißen, keine klassischen Nachnamen wie „Jackson“ tragen, sondern in der Regel kurze Namen mit vier oder fünf Buchstaben, die ihren Charakter und seine Rolle beschreiben. Von Witt bis Tall, von Bell bis Doll, ein kranker Soldat heißt da natürlich Sico.

Malick erzählt nicht dezidiert die Geschichte einer bestimmten Person, “the audience would be given no guide (even to the extent of being denied a clearly identifiable protagonist to clarify themes on their behalf), in effect being left to venture through a moral swamp alone” [19]. Vielmehr wirken die Soldaten im Film wie verschiedene Facetten eines menschlichen Gesichts, ähnlich wie von Witt geäußert und dabei entfernt an Heidegger erinnernd [20]. Der wiederum, mit dem sich Malick in seinem Philosophiestudium selbst eingehender beschäftigte, schrieb dereinst: „[Natur] bedeutet das Sein des Seienden“ [21] und unterfüttert damit Emerson [22]. In dieser Linie lässt Malick dann gerade Train folgen.

“What is this war at the heart of nature?”, fragt sich Train als erste Stimme, die wir im Film hören. “Why does nature vie with itself?” Damit meint die Figur zum einen die Schlacht um Guadalcanal, ein Krieg im Herzen der Natur, die sonst klares Wasser und Papageien bestimmt. Andererseits aber auch den Konflikt zwischen den Menschen, die selbst ein Sein des Seienden darstellen und so das Herz der Natur. “This great evil. Where does it come from?”, fragt Train später. Wie kam es in die Welt, aus welcher Wurzel stammt es? “Who’s doing this?”, will Train wissen. “Is this darkness in you too?” In dem Kontext passt Talls Fazit, die Natur sei grausam. “How did we lose the good that was given us?”, klagt Train.


Wo Train hadert und zweifelt, versprüht Witt Zuversicht. “If nature is the heart of the film, then (…) Witt is its soul”, bemerkt McCracken [23]. James Caviezels Figur ist die Personifikation der emersonschen Philosophie [24] und damit in ihrem jovialen Optimismus die offensichtlichste Identifikationsfigur des Zuschauers. “You still believing in the beautiful light, are you?”, fragt Welsh in seinem dritten und finalen Dialog mit Witt. Der entgegnet, fast schon messianisch [25], seinem Vorgesetzten: “I still see a spark in you.” [26] Witt ist es daher am Ende, der sich für das Wohl seiner Einheit (“my family”) – opfert. “Where’s your spark now?”, meint Welsh trotzig bei Witts Beerdigung – und kämpft zugleich mit den Tränen.

Ebenso optimistisch schickt sich Bell an, der mittels Rückblenden zu seiner Frau (Miranda Otto) in The Thin Red Line die Liebe repräsentiert. “Love. Where does it come from? Who lit this flame in us?”, fragt er sich. “No war can put it out, conquer it”, ist er sich sicher. Und muss zum Schluss doch einer Scheidung zustimmen. “War”, befand Train zuvor bereits, “poisons the soul.” Untermalten zwar auch Badlands und Days of Heaven Voice-over, so machte sie sich Malick nun vollends zu eigen. Sie sind seine Zugabe zu Jones’ Roman [27] und als solche scheinbar eine Entscheidung, die erst in der Post-Produktion fiel [28]. Zugleich sind sie nicht jedermanns Sache, “can seem both grandiose and naïve” [29].

Für Oleszczyk ist der Voice-over “the main poetic device of the movie (…) delivered as if by a collective consciousness of the fighting American soldiers” [30]. Walsh hingegen findet, „viele Dialoge und Teile des Kommentars [hören sich] gestelzt und gekünstelt an“, es würden große Themen diskutiert, „aber sie verbleiben häufig unverdaut im Körper des Films“ [31]. Streamas weist den Gedanken durchaus eine Authentizität zu [32], letztlich sind sie aber Malicks Meditationen – als übergeordnetes Sein und die Soldatenfiguren als Seiende. In der Folge ist Malicks Werk “a more intellectually challenging, thought-provoking and questioning film than Saving Private Ryan” oder andere Genrefilme [33].


Malick erzählt aber nicht nur von philosophischen Gedankenspielen, den Kern des Films bildet das rund einstündige Stürmen des für die Schlacht entscheidenden Hill 210. “A combat episode that aims not to provide consequence-free thrills but to give a sense of the unknownability, openendedness of battle” [34]. Die Japaner werden von Malick als unsichtbares Gegenüber eingeführt, sie sind nirgends zu sehen und könnten doch allgegenwärtig sein. Tall ordert die Übernahme des Hügels an, der sich Staros in einer entscheidenden Szene widersetzt, weil sie wie ein Suizidkommando erscheint und hierbei zugleich Erinnerungen an Sergio Leones Il buono, il brutto e il cattivo und jene Brückenszene hervorruft [35].

Zuvor schon betete Staros, wie Jesus im Garten Gethsemane, zu Gott: “Let me not betray me men.” Tall hingegen hinterfragt, ob sein Captain bereit sei, überhaupt das Leben eines seiner Männer zu opfern für den Gewinn der Schlacht. Es ist keine Zeit für Heldentaten, auch wenn diese nicht ausbleiben. Gleichzeitig ist jede Heldentat auch mit dem Wahnsinn der Gegenwart verbunden. Beispielsweise als Keck (Woody Harrelson) fälschlicherweise eine Granate zündet und zwar seine Kameraden rettet, dies jedoch mit dem Leben bezahlt. “A regrettable episode in a seemingly unending procession of regrettable episodes”, findet Streamas [36]. Und ergänzt: “Malick suggests (..) that all violence is equally regrettable.” [37]

Als Welsh sein Leben riskiert, damit der tödlich verletzte Tella (Kirk Acevedo) mit Morphium versorgt werden kann, will Staros ihn für eine Medaille vorschlagen. Sehr zum Missfallen von Welsh. “In a situation like that, all a man can do is shut his eyes and let nothing touch him. Look out for himself”, hatte der Sergeant zuvor noch Witt erklärt. “There’s nothing you can do for anybody else. What difference you think you can make? One single man in all this madness.” Und dennoch zeugt die Tella-Szene vom Gegenteil dessen, was Welsh Witt erklärt. Genauso wie seine Gespräche mit ihm. “I might be the best friend you ever had”, sagt Welsh eingangs zu Witt als er aufgelesen wird. “You don’t even know it.”


Mit dem Hügelsturm werden auch die Japaner zur körperlichen Präsenz – und zum Opfer. Ihre Darstellung ist tragisch und für Murauer werden hier Feinbilder „radikal zertrümmert – und nicht wie bei Spielberg zementiert“ [38]. “Are you righteous? Kind?”, fragt ein japanischer Voice-over. “Know that I was too.” Als der Hill 210 eingenommen ist, steht eine Attacke auf das japanische Lager an. Im Wissen, was folgt, kann sich Witt der Tränen nicht erwehren. Die musikalische Untermalung der Attacke allein suggeriert, dass man dem Ende der Menschheit beiwohnt. Malicks Film wirkt nun wie ein Ort “where sanity and madness occupy the same continuum” [39], wie eine Welt “on the verge of total insanity” [40].

Ein Wahnsinn, der letztlich auch jene befällt, die glaubten, gegen ihn immun zu sein. Dies schließt Dale (Arie Verveen) ebenso mit ein wie die einheimische Bevölkerung, deren harmonisches Miteinander den Film als solchen einleitet. Malick inszeniert sie als paradiesischen Ur-Zustand, eine Art Garten Eden, “a haunting remembrance of some distant, more perfect world” [41]. Für Streamas jedoch gelingt es dem Regisseur nicht ganz “to create an indigenous history out of the colonist’s mythmaking” [42]. Als Witt nach dem Hügelsturm zurückkehrt in das Dorf der nahe gelegenen Insel, hat auch dort der Wahnsinn Einzug erhalten, ging die Harmonie verloren. Vielleicht wegen der Anwesenheit des Krieges.

Statt an der Schönheit der Natur zu partizipieren, haben Amerikaner wie Japaner ihren Hass ins Paradies getragen. Für Witt gibt es somit keinen Rückzugsort mehr, wirklichen Frieden kann die Figur in dieser Welt nicht mehr finden. Erst als sie stirbt, sehen wir sie erneut im Wasser ihr Glück genießen. Malicks späteres Schlussbild wird eine Pflanze sein, die am Strand ihre Wurzeln im Sand schlägt. Ein symbolisches Bild für Witts Integration ins Sein, in das größere Kollektiv. “Only one thing a man can do. Find something that’s his, make an island for himself”, realisiert auch Welsh zum Schluss angesichts Witts Schicksal. “If I never meet you in this life… let me feel the lack”, würdigt er dem gefallenen Kameraden.


Malicks Thema in The Thin Red Line ist „das Sein an sich“ und die „Schönheit der Natur oder die Schrecken des Krieges sind nur Erweiterungen dessen“ [43]. Ein weiterer Gegensatz zu Saving Private Ryan, „gerade der Vergleich zeigt die riesige Kluft zwischen der staatstragenden Ideologisierung Spielbergs und der philosophischen Meditation von Malick“, findet Suchsland [44]. Jene Meditation geht dabei nicht nur von den Voice-overn aus, sondern auch von Malicks Bildern. “Opulent nature imagery is his most recognizable cinematic trademark”, weiß Sterritt [45]. Und ebenso zwiespältig wie seine Erzählstimmen, betritt Malick doch beispielsweise für Oehmann „seine Schauplätze wie eine Kathedrale“ [46].

Für die einen bietet der Film “glorious wide-screen cinematography” [47] und „Bilder, wie man sie seit 20, 30 Jahren, vielleicht seit Antonioni und dem frühen Nicholas Roeg nicht mehr gesehen hat“ [48], für die anderen widmet Malick “too much footage to exotic animals, waving grass, happy natives, or light filtering through trees” [49]. Das Ergebnis sei „große Filmtechnik: als großer Kitsch“ [50]. Malicks Aufarbeitung von Geschichte in Verbindung mit seiner These über das Sein der Menschheit liegt naturgemäß nahe an der Prätention und ist somit angreifbar [51]. Im Kern kann der Film über sein meditatives Erlebnis hinaus aber auch bloß als Kriegsfilm gelesen werden, wenn auch als kein gewöhnlicher.

Spielberg behauptete seiner Zeit, jeder Kriegsfilm sei ein Anti-Kriegsfilm, “to do no more than show realistic images of brutality and violence, of dead and dying soldiers, is not enough to be anti-war”, kanzelt Streamas allerdings dessen Saving Private Ryan ab [52]. Malick will keine historische Geschichte nacherzählen, sondern einen Film über den Krieg und seine Widersinnigkeit erschaffen. Seine “pacifist statements (…) remain abstract, cut off from any historical understanding of the Pacific conflict” [53]. Er erschafft sich seine eigene Realität, “a poetic creation” [54]. In der Summe nimmt Malick dabei „keine Rücksicht auf den üblichen Erzählrhythmus“ [55], er erschafft vielmehr (s)einen eigenen.


Für Jackson ist das Ergebnis “a celebration of the art of filmmaking (…) but it is not about the Pacific War” [56]. Was weniger Kritik als Auszeichnung ist. The Thin Red Line erzählt nicht über die Schlacht am Guadalcanal, sondern über den Krieg an sich. Der Film sei “visual thinking”, schreibt Streamas [57]. Malick “places history and myth on the visual level, but only myth abides on the deeper level, where it must stand alone, unfortified by history” [58]. Als Folge gelang Malick “arguably the greatest war film ever made” [59]. Ungeachtet der negierten Wertschätzung mit Filmpreisen – den Goldenen Bären auf der Berlinale ausgenommen – kehrte Malick nach zwei Jahrzehnten eindrucksvoll zurück [60].

In Terrence Malicks Vita wird The Thin Red Line wohl stets eine Sonderstellung einnehmen, als Mittler zwischen seinem Schaffen, als Brücke zwischen Badlands und Days of Heaven sowie jenen Filmen, die danach kommen und in denen der Texaner sich immer stärker von den Zwängen einer Narration zu befreien gedenkt. Insofern ist Malick wohl durchaus, was Furstenau und MacAvoy als “poet-philosopher” bezeichnen [61]: weniger Erzähler als (Vor-)Denker. Die Worte von Bell an einer Stelle umgedeutet waren wir Gefangene und Malick ließ uns frei. Sodass auch der Zuschauer zu Witt werden kann, im Glauben: “I seen another world.” Selbst wenn wir glauben, es sei lediglich in unserer Einbildung gewesen.



Quellenangaben

[1] vgl. Peebles, Stacy: The Other World of War. Terrence Malick’s Adaptation of The Thin Red Line, in: Patterson, Hannah (Hrsg.): The cinema of Terrence Malick. Poetic visions of America, London 2007², S. 152-163, hier S. 153.
[2] ebd., S. 162.
[3] “Critical consensus suggested that Malick was more concerned to explore World War Two as a psycho-dramatic crucible (…) than as a matter of historical record or public remembrance”, s. Flanagan, Martin: ‘Everything a lie’: The critical and commercial reception of Terrence Malick’s The Thin Red Line, in: Patterson, Hannah (Hrsg.): The cinema of Terrence Malick. Poetic visions of America, London 2007², S. 125-140, hier S. 133.
[4] ebd., S. 127.
[5] ebd.
[6] ebd., S. 128.
[7] Saving Private Ryan, so Flanagan, sollte “an event of huge public significance” darstellen, “a chance to remember and pay tribute”. The Thin Red Line hingegen wäre mehr “a cineaste’s dream, an aesthetic event”, Flanagan, S. 130.
[8] Streamas, John: The Greatest Generation Steps Over The Thin Red Line, in: Patterson, Hannah (Hrsg.): The cinema of Terrence Malick. Poetic visions of America, London 2007², S. 141-151, hier S. 142.
[9] ebd., S. 147.
[10] Kronenmeyer, Nadja: Der schmale Grat, in: Klein, Thomas et al. (Hrsg.): Filmgenres. Kriegsfilm, Stuttgart 2006, S. 336-345, hier S. 336f.
[11] Suchsland, Rüdiger: Die Farbe des Krieges. Terrence Malicks Meisterwerk, in: Arteschock, http://www.artechock.de/film/text/kritik/s/scgrat.htm.
[12] vgl. Flanagan, S. 132.
[13] Streamas argumentiert beispielsweise damit, dass “Americans have been conditioned to want to believe in the Good War”, Streamas, S. 147.
 [14] Kronenmeyer, S. 337.
[15] Emerson, Ralph Waldo: Nature (1836), in: Ders.: Nature and Other Essays, Mineola, S. 1-34, hier S. 2.
[16] ebd., S. 3. Siehe auch seine weiteren Ausführungen: “In the wilderness, I find something more dear and connate than in streets or villages. In the tranquil landscape, and especially in the distant line of the horizon, man beholds somewhat as beautiful as his own nature”, Emerson, S. 4.
[17] “Property. Whole fuckin’ thing’s about property”, echauffiert sich Welsh.
[18] Kronenmeyer, S. 338.
[19] Flanagan, S. 129.
[20] vgl. Furstenau, Marc/MacAvoy, Leslie: Terrence Malick’s Heideggerian Cinema. War and the Question of Being in The Thin Red Line, in: Patterson, Hannah (Hrsg.): The cinema of Terrence Malick. Poetic visions of America, London 2007², S. 179-191, hier S. 183: “if beings or entities are all things that are – that is, they all are because they participate in Being.”
[21] Heidegger, Martin: Wozu Dichter?, in: Ders.: Holzwege, Frankfurt am Main 1963, S. 248-295, hier S. 256.
[22] vgl. Emerson (1836), S. 2: “Philosophically considered, the universe is composed of Nature and the Soul. Strictly speaking therefore, all that is separate from us, all which Philosophy distinguishes as the NOT ME, that is, both nature and art, all other men and my own body, must be ranked under this name, NATURE.”
[23] McCracken, Brett: The Thin Red Line, in: The Search, 12.05.2011, http://stillsearching.wordpress.com/2011/05/12/the-thin-red-line/.
[24] vgl. Emerson, Ralph Waldo: Nature (1844), in: Ders.: Nature and Other Essays, Mineola, S. 35-48, hier S. 37: “he who knows what sweets and virtues are in the ground, the waters, the plants, the heavens, and how to come at these enchantments, is the rich and royal man.”
[25] vgl. hierzu auch Murauer, Markus: The Thin Red Line. Terrence Malicks filmisches Meisterwerk über die Grenzerfahrungen der menschlichen Existenz, in: Aurora, http://www.aurora-magazin.at/medien_kultur/murauer_malick_frm.htm (offline): „Witt bleibt bis zum Schluss des Filmes eine Heiligenfigur. Er ist jene Lichtgestalt in der dunklen Welt des Tötens, die einen letzten Glauben an das Gute verkörpert.“ 
[26] siehe hierzu auch McCracken: “Where others in that film succumb to desperation or nihilistic ambivalence, Witt sees sparks of a heavenly glory.”
 [27] vgl. Peebles, S. 156: “While much of the story’s plot and dialogue is drawn from the novel, all of the extensive voice-over is Malick’s own addition.”
[28] vgl. Silberman, Robert: Terrence Malick, Landscape and ’What is this war in the heart of nature?’, in: Patterson, Hannah (Hrsg.): The cinema of Terrence Malick. Poetic visions of America, London 2007², S. 164-178, hier S. 166: “the voice-overs are not in the second draft of the screenplay.”
[29] ebd.
[30] Oleszczyk, Michal: Mapping Out the Line, in: Chicago Sun-Times Blog, 18.07.2012, http://blogs.suntimes.com/foreignc/2012/07/mapping-out-the-line.html.
[31] Walsh, David: Ein entsetzlicher Kriegszustand. "Der schmale Grat" von Terrence Malick nach dem Roman von James Jones, in: World Socialist Website, 25.2.1999, https://www.wsws.org/de/articles/1999/02/grat-f25.html.
[32] “But these are questions that, when the war is over and the victory is celebrated, are swept into the farthest recesses of memory”, Streamas, S. 143.
[33] McCrisken, Trevor B./Pepper, Andrew: American History and Contemporary Hollywood Film, Edinburgh 2005, S. 122.
[34] Flanagan, S. 136.
[35] In betreffender Szene wird eine Brücke zweimal täglich angegriffen, sie muss jedoch intakt bleiben. “I’ve never seen so many men wasted so badly”, kommentiert Blondie (Clint Eastwood).
[36] Streamas, S. 147.
[37] ebd.
[38] Murauer, Internet.
[39] Boggs, Carl/Pollard, Tom: The Hollywood War Machine. U.S. Militarism and Popular Culture, London 2007, S. 141.
[40] ebd., S. 142.
[41] McCracken, Internet.
[42] Streamas, S. 149.
[43] Glogowski, Paul Glogowski: Der Schmale Grat (The Thin Red Line). Terrence Malicks pantheistischer Blick in die Welt, in: Ikonen Magazin, http://www.ikonenmagazin.de/artikel/Malick.htm.
[44] Suchsland, Internet.
[45] Sterritt, David: This Side of Paradise, in: The Thin Red Line, Criterion Collection, S. 8-17, hier S. 10.
[46] Oehmann, Richard: Kirchgang. Terrence Malicks Verfilmung des »Why«-Plakats, in: Arteschock, http://www.artechock.de/film/text/kritik/s/scgrat.htm.
[47] Oleszczyk, Internet.
[48] Suchsland, Internet.
[49] Jackson, Kenneth: The Thin Red Line: Not Enough History, in: American Historical Association, April 1999, http://www.historians.org/publications-and-directories/perspectives-on-history/april-1999/the-thin-red-line-not-enough-history.
[50] Assheuer, Thomas: Hollywood im Krieg, in: Zeit Online, 25.3.1999, http://www.zeit.de/1999/13/199913.oscar_.xml.
[51] „Das ängstliche Geistwesen Mensch, dem Weltmutterschoß entkommen, durch Zivilisation erblindet, muß sein Schicksal in ewig gleichen Bahnen wiederholen“, resümiert beispielsweise Assheuer das Filmthema (Assheuer, Internet).
[52] Streamas, S. 150.
[53] Boggs/Pollard, S. 140.
[54] Furstenau/MacAvoy, S. 189.
[55] Oehmann, Internet.
[56] Jackson, Internet.
[57] Streamas, S. 150.
[58] ebd.
[59] Sterritt, S. 8.
[60] Laut Flanagan “questions were asked about how Malick would fit into the new topography of American film” (Flanagan, S. 126). Auch Sterritt erwähnt, “Hollywood had gone through drastic changes while he walked the earth for twenty years, and the new corporate chiefs preferred market-friendly blockbusters to offbeat art pictures” (Sterritt, S. 8). Derweil betonen Furstenau und MacAvoy “Malick’s films are often judged to be perversely obscure, a positive quality from Hollywood’s point of view, which values obscurity as an indicator of artistic seriousness” (Furstenau/MacAvoy, S. 180).
[61] Furstenau/MacAvoy, S. 182.


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