Once the soul was perfect


Er hat es mal wieder getan, Terrence Malick, „der gediegenste Schwurbelfilmer aller Zeiten“ [1]. Wie bereits mit The Tree of Life und insbesondere To the Wonder hat der texanische Regisseur das Publikum gespalten. So sehr, wie vermutlich noch nie, was durchaus kalkuliert sein mag. Denn wie bereits anderswo angemerkt, ist sein jüngster und siebter Film Knight of Cups den beiden Vorgängern nicht unähnlich. Mancher Kritiker sieht sogar eine potentielle Trilogie, die hier zu ihrem Abschluss kommt. Das Handwerk Malicks ist in Knight of Cups offensichtlich: ein stummer, sinnierender Hauptdarsteller, hübsche tänzelnde Frauen, ein bedeutungsschwangerer Voice-over und solche Themen wie Liebe, Zugehörigkeit, Einsamkeit und der Sinn des Lebens im Zentrum seines Films.

Die Handlung ist wie so oft mehr Setting, lediglich ein Rahmen. Der Zuschauer begleitet dabei den Hollywood-Autor Rick (Christian Bale) durch vereinzelte Erinnerungen aus dessen Leben. Von illustren Partys voller attraktiver und entsprechend narzisstischer Menschen wie die von Tonio (Antonio Banderas), hin zu Treffen mit seinem Bruder Barry (Wes Bentley) und ihrem Vater Joseph (Brian Dennehy), vor allem jedoch bei Ricks verschiedenen romantischen Affären. Hierbei handelt es sich um Models wie Della (Imogen Poots) und Helen (Freida Pinto), um Nachtclub-Tänzerinnen wie Karen (Teresa Palmer), auch verheiratete Frauen wie Elizabeth (Natalie Portman) oder, mit einer Sonderstellung, Ärztin Nancy (Cate Blanchett), mit der Rick eine gescheiterte Ehe verbindet.

Rick ist dabei ein Ruheloser, “a pilgrim in this world”, wie sein Vater sagt. Er sucht – wie wir alle – seinen Platz in dieser Welt. “I can’t remember the man I wanted to be”, verrät uns die Figur an einer Stelle hinsichtlich ihrer Zweifel. „Jene große, kosmologische Sinnsuche, die Malicks Filme inzwischen mit ziemlicher Ausschließlichkeit sind“ bildet auch das Fundament von Knight of Cups [2]. Dabei sollte der Fokus nicht zu sehr auf die Rollenbeschreibung gesetzt werden. Dass Rick ein wohlhabender, in Armani gekleideter Hollywood-Mensch ist, der sich in seiner Freizeit mit jungen hübschen Frauen verlustiert, ist bei Malick weniger Thema als Setting. Wer darüber nicht hinwegsieht, muss wie Bradshaw resümieren, dass Ricks Situation die “least interesting spiritual crisis” ist [3].


Es geht in Knight of Cups nicht um Hollywood oder den Lebensstil der Schönen und Reichen. Im Prinzip unterscheidet sich Rick nicht sehr viel mehr von den anderen malickschen Figuren wie Neil in To the Wonder oder John Smith in The New World: Stets sind es Männer, die sich nach Liebe, Frieden und Freiheit sehnen. “I always think that women are going to safe me, lead me through to a better life, that they can change and redeem me”, legte schon Nick Hornby seiner Figur in High Fidelity in den Mund [4]. Ähnlich ergeht es auch Rick, Neil und Co. in Malicks Filmen – ob diese Komödienautoren sind oder Entdecker ihrer Majestät ist von keiner Bedeutung. Sie alle sind Platzhalter für den Mensch an sich, auf der Suche nach seiner Bestimmung. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.

Innerhalb des Films rezitiert Ricks Vater eine eigene Geschichte eines jungen Prinzen, der einst auszog, um eine Perle zu finden, stattdessen aber vergass, wer er war. Eine Anekdote, die sowohl für Rick steht wie für uns alle. Bales Figur wandelt scheinbar ziellos durch dieses Leben, die Treffen mit seinen Kollegen oder Agenten gehen ebenso an ihm vorüber wie die Partylandschaft von Tonio. Geborgenheit verspricht sich Rick von seinen weiblichen Bekanntschaften. “You don’t want love”, urteilt Della. “You want a love experience.” Sie alle scheinen, ähnlich wie Marina und Jane in To the Wonder, ganz vernarrt in Rick. Doch genauso wie die Damen im Vorgänger finden sie bei ihm kein Glück, verkommen vielmehr zu einer Parade, die sich einander den Rick-Staffelstab weiterreicht.

Der Kern der Unzufriedenheit der Figur scheint sich in der Vergangenheit zu finden. Auch Rick und Barry verloren einst einen Bruder, ähnlich wie Jack und Steve in The Tree of Life. Dort wie hier ist die Beziehung der Söhne zu ihrem Vater vorbelastet – nicht zuletzt wegen der Schuldfrage des Brudertodes. Erneut verarbeitet Malick somit jenes biografische Trauma, das bereits das Fundament für seinen fünften Film darstellte. Und wenn man so will, kann Knight of Cups in dieser Hinsicht gewissermaßen als Fortsetzung zu The Tree of Life gesehen werden, mit Christian Bale als Ersatz für Sean Penn und Brian Dennehy für Brad Pitt. Aber auch so scheint Ricks Bruder Barry ähnlich ruhelos wie der Rest der Familie, jedoch mit einer tiefsitzenden, destruktiven Aggression versehen.


Ein Subplot, zu dem Malick immer wieder zurückkehrt, der jedoch ebenso wenig wie der Rest des Films in gewohnter Manier erzählt wird. Sein Werk “is designed not to play out dramatic encounters in a theatrical way, but to capture moments in their immediate essence, much as one might remind them”, findet McCarthy [5]. “It’s a misapprehension to say Malick doesn’t care about story”, betont Zeitchick dabei, “it just comes to us in a different way.” [6] Für Borcholte ist das Ergebnis sogar „vielleicht der zugänglichste und kohärenteste Malick-Film seit (…) ’The Thin Red Line’” [7]. Auch wenn sowohl seine Themen wie seine Inszenierung vom Feuilleton und den Kritikern nach des Regisseurs nun drittem Film in bloß drei Jahren inzwischen reichlich zwiespältig wahrgenommen werden.

Die Inszenierung sei „nur noch lächerlich“ heißt es da [8], der Film „erinnert an Parfüm-Werbung in der Dauerschleife“ [9]. Malicks Stil, der einst The Thin Red Line eine Sonderstellung verlieh und den Texaner endgültig zum Film-Poeten erhob, scheint sich nun gegen ihn gekehrt zu haben. Für Barber ist Knight of Cups daher eine “ludicrous self-parody” [10], ähnlich sieht es Bradshaw, der kritisiert, Malicks “style is stagnating into mannerism, cliche and self-parody” [11]. Eine Ansicht, mit der er nicht alleine dasteht. Zwar schreibt McCarthy dem jüngstem Werk zu, “a resolutely poetic and impressionist film” zu sein, sieht in ihm aber auch “a certain tedium and repetitiveness” [12]. Oder wie Maier meint: „Nur eine Weiterführung der bereits bekannten Form des filmischen Essays.“ [13]

Emmanuel Lubezkis Bilder seien durchaus “lovely to regard – but only diehard Malick fans may not tire of watching the same tropes rearranging indefinitely”, resümiert Kohn [14]. Immerhin: Wo To the Wonder sich zuvorderst wie ein Best-of von Malicks bisherigem Schaffen anhörte, rezitiert sich der 71-jährige Regisseur in Knight of Cups nicht primär selbst. Nichtsdestotrotz sind Lubezkis Bilder und der sinnierende Voice-over natürlich immer noch vorhanden – und nicht (mehr) jedermanns Sache. “Merely (..) picture-postcard snapshots”, urteilt Fujishima über die Arbeit des Kameramanns [15]. Und ätzt, der Voice-over “seems to plumb new depths of platitudinous banality” [16]. Sogar Zeitchik räumt ein, Knight of Cups sei “less a new work than an extension of all [Malick’s] been up to” [17].


Das ist natürlich keineswegs falsch, aber zugleich auch nur bedingt richtig. Befassten sich die letzten beiden Filme mit dem Erwachsenwerden und Familienleben sowie Liebe und Ehe, liegt der Fokus dieses Mal konkret auf Rick als Suchendem. Obschon er alles hat, was sich die meisten Menschen wohl erträumen, erfüllt ihn das nicht mit Zufriedenheit. Die unberechenbare Della ebenso wenig wie die anmutig schöne Helen. Malick reißt zumindest an, dass es einen Rick vor jenen Erinnerungen gab, die wir sehen. “You’re different these days”, stellt Ex-Frau Nancy fest, mit der Rick zumindest zeitweise glücklich gewesen sein muss. Ähnlich zufrieden sehen wir ihn im Folgenden nur noch mit der unbeschwerten Karen und der hin und her gerissenen Elizabeth.

All jene Sorgen, die sich erstere nicht macht, lasten auf den Schultern von letzterer. “Once the soul was perfect and had wings and could soar into heaven”, heißt es an einer anderen Stelle, die die Menschen somit zu gefallenen Engeln macht, zurückgelassen und verloren auf der Erde, einen Weg zurück ins Paradies suchend. Entsprechend macht es Sinn, dass Malick seine Figur in die Stadt der Engel, Los Angeles, sowie später auch in den Sündenpfuhl Las Vegas platziert. “Find your way. From darkness to light”, bleut Joseph seinen Söhnen ein. Nur den Weg selbst kann er ihnen nicht zeigen. Und Rick und Barry, so hat man den Eindruck, nicht finden. “All those years living the life of someone I didn’t even know”, reflektiert der Hollywood-Autor sein leeres luxuriöses Lifestyle-Leben.

“Malick is too vague about the nature of his hero’s dissatisfaction to engage us”, kritisiert Barber ähnlich wie Bradshaw [18]. Dabei missverstehen beide womöglich, dass Malicks Protagonisten keine gewöhnlichen Figuren sind, vielmehr bedient sich der Regisseur seiner Darsteller “as vessels for his themes and ideas”, wie Chang kritisiert [19]. Malick skizziert seine Charaktere inzwischen nur noch rudimentär, ein Drehbuch lag in Knight of Cups wie bereits in To the Wonder nicht mehr zugrunde [20]. Dies rührt zugleich in einem Vertrauen für sein Ensemble, selbst ihre Figuren mitzugestalten und diese zu formen. Wie viel von deren Interpretation es dann jedoch in den Film schafft, ist sicher offen. Entsprechend dauerte es zwei Jahre, ehe sich Knight of Cups in der Post-Produktion fand.


Gerade dass der Film dabei nicht wirklich zusammenhängend sondern mehr episodenhaft erzählt wird, gereicht ihm dabei für meinen Geschmack zum Vorteil. Kohns Empfinden, dass “it’s restlessness eventually grows tedious” [21] kann zumindest ich nicht beipflichten. Vielmehr erinnert mich die Art der Inszenierung – nicht zuletzt auch aufgrund des Settings – an Paolo Sorrentinos ähnlich aufgebauten und meisterhaften La grande bellezza. Kein Wunder rücken andere Kritiken den Film thematisch in die Nähe von Federico Fellini und dessen Meisterwerke wie La dolce vita oder . Fujishima sieht hierbei sogar eine Erklärung für die Gestaltung und das Scheitern des Films: “In some ways, this is the filmmaker’s 8½: a feature-length riff on his own creative frustration.” [22]

Und in der Tat wirkt der Film und seine Rezeption irgendwie durchaus verwandt mit Fellinis Magnum opus. „Du willst von der Verwirrung erzählen, die jeder in sich spürt“, heißt es in diesem an einer Stelle hinsichtlich des Films im Film von Guido (Marcello Mastroianni). Dieser sei bloß eine „Aneinanderreihung überflüssiger Episoden“. Nur will Knight of Cups weniger Kommentar auf die Filmindustrie sein als auf das Leben. Am Ende steht dabei natürlich wieder eine Frau, Isabel (Isabel Lucas), der sich der Film jedoch nicht wirklich widmet. Sie ist einfach da und Rick inzwischen Vater. Und, so wirkt es jedenfalls, glücklich. Angekommen. “I was afraid when I was young”, sagt Rick in einer Szene. “Afraid of life.” Aber wer ist das nicht? So hört es die Figur auch von ihrem Vater, der sich in ihr wiederfindet.

Womöglich musste Rick dieselbe Erfahrung machen wie Nick Hornbys Romanfigur: “Maybe we all live life at too high a pitch, those of us who absorb emotional things all day, and as a consequence we can never feel merely content.” [23] Erst indem Rick selbst zum Vater wird, kann er als Sohn seinem eigenen Vater vergeben. Vielleicht ist dies die Botschaft des Films – wer kann bei Malick da schon sicher sein? –, dass der Sinn des Lebens im Schenken von Leben steckt. Genau weiß man dies natürlich nicht, da der Film doch etwas kryptisch, da nicht chronologisch erzählt, ist. Genauso wie die Hauptfigur weniger Zugang zu ihren Gedanken gewährt als Hunter McCracken/Sean Penn sowie Olga Kurylenko zuvor. Die Bilder sprechen für sich – und lassen zugleich Deutungen offen.


“In his own idiosyncratic way, Malick comes as close as anyone does today to making silent films”, findet McCarthy [24]. Die Bilder stehen beim Texaner über allem, sie sind es, die seine Geschichte erzählen, die das Thema und Motiv als Handlung tragen. Immer wieder suchen sie sich dabei den Weg an den Strand oder ins Wasser eines Pools, wo Rick die meisten seiner weiblichen Partner hinführt. “The film’s signature shot”, kommentiert Chang amüsiert [25]. Man mag es als Taufe der Liebe zur jeweiligen Dame lesen, aber schon Emerson sprach vom Fluss als Erinnerung an “the flux of all things” [26] und für Naturphilosoph Thales war Wasser der Urgrund allen Seins [27]. Kein Wunder, dass Rick sich immer wieder zu diesem hingezogen fühlt, wie viele malicksche Figuren vor ihm.

Mancher Kritiker durchschaut das durchaus. “Those who have had their fill with the director’s impressionistic musings will find his seventh feature as empty as the lifestyle it puts on display”, räumt Chang ein. “For the rest of us (…) this cinematic oddity represents another flawed but fascinating reframing of man’s place in the modern world.” [28]. Ähnlich wie seine Figuren scheint auch Malick derzeit vielleicht seinen Platz in der Kinolandschaft zu suchen. Antworten hält eventuell sein nächstes Werk – das wohl Weightless heißen soll – bereit, auch wenn dieses back-to-back mit Knight of Cups entstand. Gut möglich, dass Malick sich auch darin treu bleibt. Das Ergebnis wäre dann wie zuletzt sicher “infuriating to some” und “thrilling to others” [29]. Eben ein echter Terrence-Malick-Film.


Quellenangaben:

[1] Maier, Roland: Knight of Cups oder L.A.ngeweile, in: Outnow, 15.2.2015, https://outnow.ch/Movies/2015/KnightOfCups/Review/.
[2] Foerster, Lukas: Kosmologische Sinnsuche in Terrence Malicks Knight of Cups, in: Perlentaucher, 8.2.2015, https://www.perlentaucher.de/berlinale-blog/522_kosmologische_sinnsuche_in_terrence_mailcks_%22knight_of_cups%22_(wettbewerb).html.
[3] Bradshaw, Peter: Berlin 2015 review: Knight of Cups – Malick’s back! With the least interesting spiritual crisis in history, in: The Guardian, 8.2.2015, http://www.theguardian.com/film/2015/feb/08/knight-of-cups-review-film-terrence-malick-christian-bale.
[4] Hornby, Nick: High Fidelity, London, 2000, S. 50.
[5] McCarthy, Todd: Knight of Cups. The Berlin Review, in: The Hollywood Reporter, 8.2.2015, http://www.hollywoodreporter.com/movie/knight-cups/review/771145.
[6] Zeitchik, Steven: “Knight of Cups”: Why Terrence Malick is at the top of his game, in: L.A. Times, 9.2.2015, http://www.latimes.com/entertainment/movies/moviesnow/la-et-mn-knight-of-cups-terrence-malick-movie-christian-bale-20150209-story.html#page=1.
[7] Borcholte, Andreas: Berlinale-Film von Terrence Malick. Im Dolce-Vita-Wahn, in: Spiegel Online, 8.2.2015, http://www.spiegel.de/kultur/kino/berlinale-knight-of-cups-von-terrence-malick-im-wettbewerb-a-1017374.html.
[8] Maier, Internet.
[9] o.a.: “Knight of Cups”. Wie ein langer Werbeclip, in: Berliner Zeitung, 8.2.2015, http://www.bz-berlin.de/kultur/berlinale/knight-of-cups-wie-ein-langer-werbeclip.
[10] Barber, Nicolas: Knight of Cups is Terrence Malick’s worst, in: BBC, 10.2.2015, http://www.bbc.com/culture/story/20150210-terrence-malicks-worst-film-ever.
[11] Bradshaw, Internet.
[12] McCarthy, Internet.
[13] Maier, Internet.
[14] Kohn, Eric: Berlin Review. Terrence Malick’s “Knight of Cups” Pushes the Director’s Style to Its Limits, in: Indiewire, 8.2.2015, http://www.indiewire.com/article/berlin-review-terrence-malicks-knight-of-cups-pushes-the-directors-style-to-its-limits-20150208.
[15] Fujishima, Kenji: Berlinale Review. Knight of Cups, in: Slant Magazine, 8.2.2015, http://www.slantmagazine.com/house/article/berlinale-review-knight-of-cups.
[16] Ebd.
[17] Zeitchik, Internet.
[18] Barber, Internet. Siehe hierzu auch [3].
[19] Chang, Justin: Berlin Film Review. Knight of Cups, in: Variety, 8.2.2015, http://variety.com/2015/film/reviews/berlin-film-review-knight-of-cups-1201425546/.
[20] siehe Barber (Internet) und Maier (Internet).
[21] Kohn, Internet.
[22] Fujishima, Internet.
[23] Hornby, S. 131.
[24] McCarthy, Internet.
[25] Chang, Internet.
[26] Emerson, Ralph Waldo: Nature (1836), in: Ders.: Nature and Other Essays, Mineola 2009, S. 1-33, hier S. 2.
[27] vgl. Aristoteles: Metaphysik I, 3, http://classics.mit.edu/Aristotle/metaphysics.1.i.html.
[28] Chang, Internet.
[29] Zeitchik, Internet.

Szenenbilder Knight of Cups © Studiocanal GmbH Filmverleih.